Fibromyalgie: die alles- oder nichts-Krankheit?

Fibromyalgie

Fibromyalgie: eines der vielen Rätsel der modernen Medizin

Man könnte meinen, die Medizin behandelt „der Krankheit“ irgendwie hinterher. Wenn man glaubhafte und sogar in einem ganzheitlichen Sinne vernünftige Theorien für bestimmte chronische Krankheiten entworfen hat, dann kommen „neue“ Krankheiten auf. Eine von diesen „neuen“ Krankheiten ist die Fibromyalgie.

Fibromyalgie: eine Definition

Das Wort „Fibromyalgie“ bedeutet so viel wie „Faser-Muskel-Schmerz“. Es handelt sich um eine Krankheit, die irrtümlicher Weise oft zum rheumatischen Formenkreis gezählt wird. Es hat sich aber herausgestellt, dass bei der Erkrankung keine systemische (oder generalisierte) Entzündung gefunden werden kann. Es gibt keine immunologische Reaktion und keine Entzündungsfaktor.

Wenn eine Entzündung besteht, dann ist diese eher subtil und steht in keinem vernünftigen Verhältnis zur Stärke der Symptome. Ich habe ab und an im Laborbefund von Fibromyalgie-Patienten eine leichte, chronische Entzündung vorgefunden; die Regel ist es jedoch nicht.

Eine Fibromyalgie macht sich durch folgende Symptome bemerkbar:

  • Muskel- und Sehnenschmerzen, die den Platz wechseln
  • Müdigkeit
  • Konzentrationsstörungen und Kopfschmerzen
  • Erhebliche Stimmungsschwankungen und depressive Verstimmung
  • Reduzierte körperliche und seelische Belastbarkeit
  • Erheblich verlängerte Erholungsdauer nach körperlichen und seelischen Belastungen
  • Diffuse, funktionelle Schleimhautsymptome wie beispielsweise Reizdarm
  • Hormonelle Dysbalancen
  • Heftige Verschlimmerung der Symptome auf und nach Stress und (das ist meine häufige Beobachtung):
  • Nahrungsmittelunverträglichkeiten

Fibromyalgie: was sind die Ursachen?

Offiziell anerkannte wissenschaftliche Ursachen sind eine genetische Disposition und Stress als Auslöser. Ich finde und fand diese „Ursachen“ gerade bei Fibromyalgie immer sehr unbefriedigend. Betroffene reagieren ähnlich: „das alles kann doch nicht nur von Stress kommen!“ sagte mir mal ein Patient in meiner Praxis. Und: „ich vertrage immer weniger Lebensmittel – da ist doch noch etwas anderes im Busch?“

Bei einer modernen Krankheit von genetischer Disposition auszugehen, hat schon etwas Groteskes? Wer soll denn bitteschön eine Krankheit auf wen vererben, wenn die Krankheit eigentlich erst seit rund 40 Jahren bekannt ist?

Stress als Auslöser ist bei Fibromyalgie zwar eine legitime Antwort, das bedeutet aber nicht, dass es sich dabei um eine psychosomatische Erkrankung handelt – auch wenn keine organischen Ursachen feststellbar sind.

Hier (m)eine erweiterte Theorie für das Fibromyalgie-Syndrom:

  • Die hormonelle „Stressachse“ ist gestört, und daher sind die Reaktionen auf Stress überschießend
  • Stress bezieht sich nicht nur auf „die Psyche“, also Ärger, Leistungs- oder Zeitdruck, sondern auch auf „organischen“ Stress – beispielsweise durch Schadstoffe und freie Radikale, also zellschädigende Substanzen
  • Körpereigene Stresshormone, vor allen Dingen Cortisol und Steroid-Hormone verändern die Elastizität von Muskelfasern: Faserrisse kommen beispielsweise bei Personen, die Doping betreiben, wesentlich häufiger vor als bei anderen
  • Außerdem löst Stress einen erhöhten Muskeltonus aus, der Körper verkrampft
  • Es kommt zur Anreicherung von Milchsäure, aber auch zu etwas, was man als mechanische Zerspleißung bezeichnet
  • Das wäre eine Möglichkeit, wie die Muskelschmerzen ausgelöst werden können
  • Die Folgen eines Stressreizes halten wesentlich länger an
  • Die Schleimhäute leiden ebenfalls unter dem Stress, der sich organisch immer wieder hochschaukelt: sie werden in ihrer Funktion geschwächt, was sich auch auf die Verdauungstätigkeit auswirkt
  • Langfristig kann das dazu führen, dass Mikronährstoffe schlechter vom Körper aufgenommen werden
  • Dadurch wiederum verstärkt sich der organische („oxidative“) Stress, es kommt zur Bildung eines Teufelskreises: die Schmerzen nehmen zu, die Schleimhautirritation ebenfalls. Der Stoffwechsel wird gestört. Freie Radikale reichern sich an und blockieren die Entgiftung von Leber und Lymphe, was neben vielen anderen Symptomen auch die Neigung zu Depression / depressiver Verstimmung verstärkt.

Zusammengefasst: Obwohl die Fibromyalgie eine funktionelle Störung ist, hat sie dennoch körperliche Ursachen. Dabei haben die Symptome die Tendenz, sich hochzuschaukeln. Ein sich selbst verstärkender Effekt tritt mit der Zeit ein.

Fibromyalgie: so wird sie diagnostiziert

Diagnose bei Krankheiten wie Fibromyalgie ist so eine Sache: da sie funktionell sind, findet man kein krankhaft verändertes Organ. Deswegen diagnostiziert die Medizin solche Erkrankungen sozusagen „rückwärts“: zunächst werden organische Ursachen ausgeschlossen. Vor allen Dingen rheumatische Leiden müssen zunächst ausgeklammert werden.

Hier sind es vor allen Dingen Krankheiten wie:

  • Lupus erythematodes
  • Reaktive Arthritis
  • Chronisches Erschöpfungssyndrom (myalgische Enzephalomyelitis)
  • Polymyalgia rheumatica
  • Neurologische (Nerven-) Erkrankungen wie beispielsweise Multiple Sklerose
  • Hormonelle Dysfunktionen, z.B. Schilddrüsenüberfunktion

die zunächst ausgeschlossen werden müssen. Dann kommen allerdings noch zumindest teilweise funktionelle Störungen ins Spiel, wie stoffwechselbedingte Depression oder Reizdarm.

Zur ganzheitlichen Diagnose wird oft eine Abtastung der so genannten Tendor- (oder Tender- ich habe bereits beide Schreibweisen gesehen) –Points vorgenommen. Dabei handelt es sich um 11 Druckpunkte, die bei Fibromyalgie als überwiegend schmerzhaft beschrieben werden. Oft reicht bereits ein leichter Druck aus, um den Schmerz zu provozieren

Fibromyalgie: wie wird dieses Syndrom therapiert?

Die medizinische Therapie ist so unspezifisch, wie die Fibromyalgie eingeschätzt wird. In Sachen Bewegungstherapie werden milde bis moderate Ausdauerbelastungen empfohlen. Sämliche sportlichen Aktivitäten sollten im so genannten „aeroben Bereich“ bleiben: bei Ausdaueraktivitäten wie Schwimmen, Laufen, Skilanglaufen oder Nordic Walking sind das bis zu 50% der maximalen Belastungsfähigkeit.

Allerdings hat sich herausgestellt – mittlerweile auch durch Studien bestätigt, dass Tai Chi, Qi Gong und auch Yoga stärkere positive Effekte bereitstellen als klassischer, moderater Ausdauersport.

Ebenfalls empfohlen werden medizinische Bäder und physikalische Therapie. So ist zum Beispiel untersucht, dass trotz Kälteempfindlichkeit viele (nicht alle!) Patienten von einer medizinischen Therapie in der so genannten Kältekammer profitieren, mit Temperaturen bis zu -120°C. Nicht empfohlen werden hingegen Massagen. Sie verstärken eher den Schmerz.

Gelegentlich werden, wie auch bei Reizdarm, Antidepressiva mit gutem Erfolg verordnet. Gar kein Fall bei Fibromyalgie sind hingegen Schmerzmittel, selbst Opiate, sowie Medikamente gegen rheumatische Erkrankungen.

Fibromyalgie: was wirklich hilft – Naturheilkunde und Nahrungsergänzungen

In der Naturheilkunde, in der Nahrungsergänzungs- oder Orthomolekularmedizin hingegen kennt man eine ganze Reihe von Substanzen, die wissenschaftlich erwiesenermaßen positive Effekte bei Fibromyalgie haben. Hier eine kleine Auflistung:

  • D-Ribose: Dieser Zucker hat in zwei Studien die Linderung von Symptomen bei chronischem Erschöpfungssyndrom und Fibromyalgie unter Beweis gestellt
  • Die Kombination Apfelsäure und Magnesium im Verhältnis 4:1 hat laut einer Studie von 1995 Fibromyalgie-Patienten bei fast allen Symptomen geholfen, allerdings nur bei einer Einnahmedauer von mehr als 6 Monaten. Es wäre also eine natürliche Option bei einer Langzeittherapie
  • Reduziertes Coenzym Q10: in einer Studie von 2013 reduzierte das Ubichinol oder Hydrochinon, wie es auch genannt wird, Erschöpfungssymptome bei jungen Menschen mit Fibromyalgie
  • 5-Hydroxytryptophan (eine Vorstufe von Serotonin) wurde in den 90er Jahren intensiv untersucht und reduzierte statistisch signifikant alle Symptome einer Fibromyalgie, wenn auch nicht stark
  • S-Adenosylmethionin: eine meiner persönlichen Favoriten, ich empfehle mindestens 600 mg täglich über mehrere Wochen bis hin zu 3 Monaten.
  • Acetyl-Carnithin: dient vor allen Dingen der Stimmungsaufhellung und besseren Konzentrationsfähigkeit
  • Eine Behandlung des Dünndarms: gelegentlich ist der Dünndarm mit Bakterien aus dem Dickdarm überwuchert und muss saniert werden. Laut einer Studie von 2004 mit 42 Fibromyalgiepatienten litten alle Patienten unter der Überwucherung des Dünndarms (SIBO, Overgrowth-Syndrom) – wobei der Grad der Überwucherung unmittelbar mit der Schmerzintensität zusammenhing
  • Multi-Enzym-Präparate wie Brottrunk oder Rechtsregulat: nach meiner Erfahrung bringen sie bei knapp 80% aller Patienten Verbesserungen. Last but not least
  • Die erwähnte Kältetherapie.

Auf den Plätzen finden sich:

  • CBD-Öl
  • Die Vorstufen von Gaba (B-Vitamine, Folsäure, Magnesium, Aminosäuren)
  • Medizinisches Eisen: laut einer Studie von 2011 ist besonders die mit Fibromyalgie assoziierte Erschöpfung bei Frauen auf einen niedrigen Ferritin-Spiegel zurückzuführen

Sonst noch wichtig sind:

  • Trinken Sie viel, aber trinken Sie keine zuckerhaltigen Getränke und erst recht nichts mit Süßstoff. Koffein in kleinen Mengen ist erlaubt, vorzugsweise aus Tee.
  • Der Säure-Base-Haushalt im klassischen Sinne: relativ wenig Eiweiß, aber immer regelmäßig eine gewisse Menge Eiweiß. Achten Sie bei tierischen Produkten auf die Herkunft. Mit Hormonen und Antibiotika belastetes Fleisch können zu einer Verschlechterung des Leidens beitragen. Viel und möglichst buntes Gemüse, sekundäre Pflanzenstoffe, wenig Fruktose, wenig (enzymreiches) Obst
  • Sorgen Sie für Ruhe und Freiräume in Ihrem Leben
  • Mir selbst haben bei Verspannungen die „18 gesunderhaltenden Übungen“ des Qi Ging gut geholfen. Probieren Sie es aus – und zwar so wie Sie können. Setzen Sie sich bei Bewegung und sportlicher Übung nicht unter Leistungsdruck!
Mein Fazit

Fibromyalgie ist ein typisches Zivilisationssyndrom und auf den zweiten Blick nicht ganz so rätselhaft wie es scheint. Es gibt durchaus einige hilfreiche Substanzen und Methoden, wobei man natürlich bei keinem Mittel eine garantierte Verbesserung erwarten kann. In der Behandlung sollte man dem Syndrom die gleiche Zeit gewähren wie bei einer chronischen Krankheit: seien Sie mindestens 6 Monate konsequent dabei, wenn Sie etwas beginnen!

 

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