Lektine - Sind sie wirklich grundsätzlich schädlich?

Lektine

„Alle Jahre wieder“…wird eine neue Ernährungs-Sau durchs Dorf getrieben: was man essen sollte und vor allen Dingen, was man nicht essen sollte. Vor einiger Zeit waren Substanzen an der Reihe, die man als „Lektine“ bezeichnet. Sie kommen im Prinzip überall vor, aber besonders in bestimmten pflanzlichen Nahrungsmitteln.

Interessanterweise sind es ausgerechnet die pflanzlichen Nahrungsmittel, die landläufig auch noch als besonders gesund gelten. Ein amerikanischer Arzt namens Dr. Steven Gundry ist da allerdings anderer Meinung. Er bringt die Lektine mit Darmstörungen, Entzündung und vielen degenerativen Prozessen in Verbindung. Aber der Reihe nach…

Was sind Lektine?

Lektine zählen zu den „Fraßschutzstoffen“. Sie sollen Pflanzen vor dem Verbiss durch Tiere schützen und zählen damit zum pflanzlichen Immunsystem. Tiere, die von den entsprechenden Pflanzen fraßen, entwickelten krankhafte Erscheinungen und starben zum Teil.

Chemisch gesehen sind Lektine „Glykoproteine“, zu Deutsch: Zucker-Eiweiß-Verbindungen. Diese Verbindungen können sich an Kohlehydratstrukturen anheften. Sie können rote Blutkörperchen „verkleben“, so dass sich Klumpen von mehreren roten Blutkörperchen bilden. Falls Sie sich ein bisschen mit Naturheilkunde beschäftigt haben sollten: dieses Phänomen der verklumpten roten Blutkörperchen findet man bei der Dunkelfeldmikroskopie des Öfteren. Diese Verklumpungen weisen darauf hin, dass der Organismus belastet ist, der Stoffwechsel nicht im optimalen Bereich ist und etwas mit dem Säure-Base-Haushalt nicht stimmt. Man nennt diese „Rollen“ von Blutkörperchen auch „Geldrollenphänomen“.

Der erwähnte Art Dr. Gundry hat in seiner Praxis über viele Jahre hinweg beobachtet, dass Menschen zu systemischen Entzündungen, zu Magen-Darm-Problemen, zu Übergewicht und zu degenerativen Erkrankungen neigten, wenn sie bevorzugt von folgenden Lebensmitteln aßen:

  • Getreide 
  • Hülsenfrüchte (Bohnen, Erbsen, Linsen, Sojaprodukte)
  • Nachtschattengewächse (Tomaten, Paprika, Auberginen, Chili, Peperoni sowie daraus hergestellte Gewürze)
  • „A1-Milch“ (überwiegend Kuhmilch von europäischen Rassen, ausgenommen sind die so genannten „Guernsey-Kühe“, deren Milch ebenso wie Ziegen- bzw. Schafsmilch als A2-Milch bezeichnet wird)
  • Cashews
  • Avocados
  • Fleisch von Kühen, die mit Getreide / Soja gefüttert wurden (hier reichert sich Lektin an)

Mögliche Krankheiten, die Gundry außerdem noch beobachtet hat, sind Fibromyalgie, Gelenkschmerzen, chronische Erschöpfung und Neigung zu Diabetes.

Lektine kommen überall vor und sind für sich genommen unterschiedlich schädlich

„Der Verzehr von gesunden Nahrungsmitteln soll krank machen?“ Werden Sie sich jetzt sicherlich fragen. Zunächst einmal ist es ja nicht so, dass Lektine nur in den genannten Nahrungsmitteln vorkommen. Tatsächlich kommen sie quasi überall vor. Zweitens sind sie höchst unterschiedlich schädlich. Vielleicht haben Sie bereits in einer Zeitung oder im Internet von Personen gelesen, die nach dem Genuss von Zucchini schwer krank geworden sind oder von Vergiftungen, die man sich mit dem Verzehr von rohen Bohnen einhandeln kann. Selten erhalten Zucchini starke Bitterstoffe, die tatsächlich eine Vergiftung auslösen. Rohe Bohnen sind für den Organismus giftig. Schuld ist ein Lektin, welches durch Kochen inaktiviert wird.

Auf der anderen Seite ist es ja so, dass viele Menschen täglich die genannten Nahrungsmittel verzehren und keineswegs krank werden. So sind Lektine in der so genannten mexikanischen Diät ja besonders vertreten. Eine Ernährungsform, von der in 2015 festgestellt wurde, dass sie zu den gesündesten Ernährungsarten weltweit gehört.

Normale Ernährung“: liegt es wirklich an den Lektinen?

Rohe Bohnen und bittere Zucchini mal beiseite, hängt die schädigende Wirkung von Lektinen auch vom Zustand des Darms ab. Ist der Darm fit, können Lektine natürlich wesentlich weniger Schaden anrichten als bei einer bereits vorhandenen Belastung des Darms. Wie gut der Darm gegen den „Angriff“ von Lektinen gerüstet ist, hängt von den folgenden Faktoren ab:

  • Ausreichend sekretorisches Immunglobulin A: ist ausreichend sIgA vorhanden, werden Lektine in aller Regel gut gebunden. Wenn Sie also mit Tomaten, Nachtschattengewächsen im Allgemeinen, Weizen und Hülsenfrüchten Probleme haben sollten und nicht wissen, wo die herkommen (übrigens nicht nur am Darm selbst!) lassen Sie sIgA bestimmen! Eventuell ist hier ein Mangel vorhanden.
  • Nach meinen bisherigen Recherchen sind Menschen mit einer Einseitigkeit des Immunsystems, einer so genannten „Th1-Dominanz“, stärker empfindlich für Lektine als ausgewogene Typen und solche mit einer „Th2-Dominanz“. Allerdings: auch eine Th1-Dominanz kann durch andere Faktoren kompensiert werden, so wie dies zum Beispiel bei mir der Fall ist. Ich reagiere mit keinerlei Störungen auf Tomaten, Paprika, Weizen und Co. (das war zu meiner Morbus-Crohn-Zeit anders!)
  • Eine nicht ausgeheilte Viruserkrankung, eine durchgemachte echte Grippe oder eine „Slow-Virus-Infection“ (Herpes, HPV, Zytomegalie, Epstein-Barr…) kann die Empfindlichkeit gegenüber Lektinen enorm steigern - übrigens ein wichtiger Grund für die Entstehung von Reizdarm!
  • Parasympathikus-dominante Personen sind sensibler gegenüber Lektinen. Das betrifft beispielsweise Personen mit chronischer Erschöpfung, Depression, Fibromyalgie. Aber auch gesunde Personen, bei denen der Parasympathikus natürlicherweise dominant ist, bemerkbar an Symptomen wie: niedriger Blutdruck, lebhafte Darmaktivität, eher weicher Stuhlgang, Neigung zu Allergien, Neigung zu Nasenlaufen, zu Schwindel, Asthma-Erkrankungen, zu schwachem Muskeltonus, hohem Ruhe- und Schlafbedürfnis und Abneigung gegenüber hohen Temperaturen, um nur einige Merkmale zu nennen.
  • Der Missbrauch bestimmter Medikamente, vor allen Dingen „Nicht-Steroidaler Entzündungshemmer“ (wie Paracetamol, Ibuprofen, Diclofenac) sensibilisiert den Darm gegenüber Lektinen.
  • Personen, deren Vorfahren eher viel Eiweiß und Fett und eher wenig Kohlenhydrate gegessen haben, sind genetisch gesehen sensibler gegenüber Lektinen

Lektine: sind sie schädlich, liegt dies bereits an einer vorhandenen Störung?

Was sagt uns das? Alle genannten Störungen finden wir bei modernen Menschen von vornherein wesentlich häufiger als noch vor 50 Jahren. Wenn also bestimmte Nahrungsmittel Sensibilitäten, gesundheitliche Störungen oder sogar Krankheiten provozieren, kann das mit dem Nahrungsmittel an sich schon etwas zu tun haben - es muss aber nicht. Das ist auch und gerade bei Lektinen der Fall.

Eine gesundheitliche Reaktion auf Lektine, die in sehr vielen Nahrungsmitteln vorkommen und keine unmittelbar akuten Vergiftungserscheinungen wie bei den erwähnten Zucchini bzw. rohen Bohnen auslösen, deutet fast immer auf ein bereits vorhandenes gesundheitliches Problem hin. Dabei handelt es sich allerdings keineswegs um eine Allergie. Lektine können (andere) allergische Reaktionen verstärken, aber nicht auslösen. Oftmals sind gesundheitliche Störungen lange Zeit latent, können aber durch den Verzehr bestimmter Nahrungsmittel regelrecht herausgebracht werden.

Wer, wie oben erwähnt, über einen längeren Zeitraum immer wieder Schmerzmittel eingenommen hat, ist natürlich von vornherein nicht vollständig gesund. Wenn eine Empfindlichkeit gegen diese Stoffe besteht, ist das darmassoziierte Immunsystem mit einer oder mehreren Funktionen bereits gestört. Dies ist generell ein Kennzeichen moderner Menschen.

Wäre es anders, hätten es vor allen Dingen mitteleuropäische Menschen mit ihrer Ernährung, die auf Getreide und Milch basiert, kaum in die Neuzeit geschafft.

Zusammengefasst: (alltägliche) Lektine sind also nicht für sich genommen schädlich.

Mein Fazit

Gewisse Mengen an Lektinen sind in sehr vielen, vor allen Dingen pflanzlichen Nahrungsmitteln enthalten - nicht nur in den oben genannten. Doch in diesen Gruppen von Nahrungsmitteln finden sich potenziell schädliche Lektine, die ihre schlechte Wirkung aber hauptsächlich dann entfalten, wenn die betreffende Person vorgeschädigt ist. Daher: Nein, Lektine sind nicht grundsätzlich schädlich! Sie können zu gesundheitlichen Problemen beitragen bzw. diese verstärken.

Allerdings sind Personen mit sensibler Reaktion auf Lektine gesundheitlich kein unbeschriebenes Blatt! Selbst wenn zuvor „nur“ eine nicht ausgeheilte Erkältung bestanden haben sollte, kann es jedoch schon zu Überempfindlichkeitsreaktionen kommen. Um seltsame Empfindlichkeiten dieser Art zu verstehen, ist also wahre Detektivarbeit vonnöten!

Bewerten Sie diesen Beitrag
4,4/5 Sterne (12 Stimmen)
Artikel zum Thema "Lektine" 12

Zurück

Jetzt für unseren Newsletter anmelden und Top-Gesundheitstipps alle 14 Tage kostenlos und unverbilndlich erhalten.

Ich bin einverstanden, dass ONE Media Group GmbH & Co. KG mich 1x wöchentlich über Gesundheitsthemen informiert. Die Verarbeitung Ihrer personenbezogenen Daten erfolgt entsprechend den Bestimmungen der Datenschutzerklärung. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen.

DAS KÖNNTE SIE AUCH INTERESSIEREN