Orthorexie - gesunde Ernährung als Krankheit?

Orthorexie

Die Frage wird wohl erlaubt sein: ist Orthorexie überhaupt eine Krankheit? Gemäß wissenschaftlicher Definition ist Orthorexie eine Essstörung, bei der der Betroffene fanatisch auf den gesundheitlichen Wert seiner Nahrungsmittel achtet. Was in moderater Dosierung - zumal bezogen auf die heutige Zeit - so etwas zu sein scheint wie ein gesunder Selbsterhaltungstrieb, kann bei Übertreibung wirklich zum Problem werden.

Dabei sind sich Wissenschaftler nicht einmal einig, ob ein solches Krankheitsbild wirklich existiert.

Einige Experten sehen in Orthorexie eine Spielart der Magersucht. Allerdings steht nicht die Quantität, also die Menge der konsumierten Nahrungsmittel, im Mittelgrund, sondern die Qualität. Das beginnt bereits bei der Streitfrage, was eigentlich gesund ist. Orthorexie betrifft überwiegend Mädchen und Frauen. Sie äußert sich in einer geradezu panischen Angst vor Fett, Nahrungsmittelzusatzstoffen, den berühmten-berüchtigten E-Nummern und möglicherweise auch bei der Zubereitung von Speisen entstehenden Chemikalien (beispielsweise beim Frittieren).

Orthorexie oder „ein gebranntes Kind scheut das Feuer“

Es ist kein Geheimnis, dass immer mehr Menschen an den verschiedensten Verdauungsstörungen leiden: Unverträglichkeiten, Reizdarmsyndrom, verschiedenen Spielarten von Glutenintoleranz sowie zahlreichen, diffusen aber chronischen Entzündungen im Körper, die unter anderem Symptome im Verdauungskanal hervorrufen. Auch Menschen mit Autoimmunerkrankungen achten häufig sehr auf gesunde Ernährung.

Vielen dieser Menschen sieht man Ihre Leiden an. Ironischerweise tummeln sie sich in Reformhäusern und Bio-Supermärkten. Dies veranlasst gesunde Zeitgenossen gerne zu herablassenden Kommentaren wie: „Schaut euch diese Gestalten an: essen nur Bio und sehen so schlecht und krank aus!“

Aber hier gehen gesunde Menschen von falschen Voraussetzungen aus. Viele dieser Menschen mit den oben genannten Problemen sehen nicht so ungesund aus, weil sie Bio-Produkte essen, sondern sie Essen Bioprodukte, weil sie sich nicht gesund fühlen. Das ist ein Unterschied! Hier werden Ursache und Wirkung verwechselt!

Aber was ist mit zwanghaft gesunder Ernährung – eben „Orthorexie“?

Dennoch existiert er ganz eigenständig – der innere Zwang, sich gesund zu ernähren. Ich habe dieses bereits bei Freunden meiner Frau erleben müssen.

Eine Tochter eines befreundeten Ehepaares ernährte sich so zwanghaft fettarm, dass gerade diese fettarme Ernährung zur Entwicklung von Gallensteinen führte. Bereits mit 26 musste der jungen Dame nach mehreren Gallenkoliken die Gallenblase entfernt werden!

Über die Gründe kann nur spekuliert werden. Manche Experten sind der Auffassung, dass es sich bei Orthorexie um eine „Magersucht light“ handelt: gesunde Ernährung wird mit Schlankheit in Verbindung gebracht. Auch bei Personen, die noch keine Erfahrung mit chronischer Krankheit gemacht haben, Angst vor Krankheit im Spiel ist, kann man nicht sagen, trifft aber wahrscheinlich zu.

Sind bestimmte Ernährungsstile „Orthorexie“?

Vegan und Clean Eating, Vegetarisch oder „Paläo-Ernährung“: Ernährungsformen, die ungesunde Nahrungsmittel aus dem Leben zu verbannen versuchen. Auch hier gilt wieder: mit Orthorexie kann, muss eine besondere Ernährungsform nichts zu tun haben. Viele Menschen ernähren sich aufgrund einer bereits durchgemachten Krankheit, manche andere aufgrund von sozialen Gründen auf eine bestimmte Art und Weise. In Orthorexie ist im Grunde genommen immer die Angst davor, dass Falsche zu essen präsent, während bei den verschiedenen Ernährungsformen die Überzeugung, dass Richtige zu essen, die entscheidende Rolle spielt.

Das macht keinen Unterschied, sagen Sie? Das macht sogar einen gewaltigen Unterschied!

Es ist ein Unterschied, ob sich jemand aus Angst vor Fehlern auf eine bestimmte Weise ernährt oder aus der Überzeugung heraus, etwas richtig zu machen. Denn - ob Sie es glauben oder nicht - es gibt sogar etwas wie eine Art von Placebo-Effekt bezüglich der Ernährung! Der Placebo-Effekt, die Linderung von Leiden oder deren Heilung aufgrund einer Überzeugung ist wissenschaftlich hervorragend dokumentiert.

Mit der vollkommenen Überzeugung sich gesund zu ernähren wird man eine bessere Gesundheit erreichen als mit der „Verordnung“ einer bestimmten Ernährung, „weil man die machen muss“ - zum Beispiel bei Diabetikern oder Gicht-Kranken.

Orthorexie: die Angst vor Krankheit?

  • Unerreichbare Schönheitsideale
  • Ständig wechselnde Mode-Diäten
  • Die Gleichsetzung von „schlank“ = erfolgreich, schön, beliebt…
  • Erwartungshaltung und Erfolgsdruck von Eltern, von Geschwistern, vom Freund…

Aber erst in Kombination mit einer entsprechenden Persönlichkeitsstruktur ergibt sich daraus eine Essstörung. Hier die fatalen „inneren Faktoren“, die ausschlaggebend sind:

  • Die Angst davor, Kontrolle über das Leben zu verlieren
  • Die Angst davor, nicht anerkannt zu werden (geliebt zu werden)
  • Die Angst vor Kritik
  • Perfektionismus

Einer der wichtigsten Faktoren - und gleichzeitig einer der am meisten unterschätzten - ist der: man verliert das Gefühl für Inneres Wissen und sucht sich einen „Guru“ im Außen, dem man ohne Widerspruch folgt. Die von Orthorexie betroffenen Personen finden diesen Guru in Form eines Ernährungsgurus.

Besonders fatal: die Angst vor Fett!

Das größte Problem unter Orthorexie-Betroffenen ist fast immer die Angst vor Fett. Fett wird im Allgemeinen als krank- und dickmachend angesehen. Doch Fett ist wichtig für zahlreiche Stoffwechselvorgänge und es ist das panische Weglassen von Fett, was letzten Endes schwere Stoffwechselstörungen und auch Mangelzustände auslöst. Fett ist auch der Träger für fettlösliche Vitamine, die vor allen Dingen für die Gesundheit unserer Schleimhäute, der Haut und der Augen essenziell sind. Fehlt beispielsweise Vitamin A, kann es zu Schleimhautstörungen im Verdauungstrakt kommen. Dadurch werden Nährstoffe schlechter aufgenommen, Mangelerscheinungen können sich verstärken.

Insofern erreichen die Betroffenen von Orthorexie das Gegenteil: mit Ihrer für gesund gehaltenen Ernährung machen sie sich langfristig und systematisch krank!

Mein Fazit

Gesunde Ernährung und Orthorexie sind zwei paar Schule: Orthorexie ist im Gegensatz zu gesunder Ernährung ein psychologisches Problem, welches langfristig den gegenteiligen Effekt hat, nämlich krank macht. Von der Ebene des Verstandes ausgehend kann man kaum langfristige Besserung erwarten. Der wichtigste Hinweis ist jedoch, dass eine gesunde Ernährung niemals extrem einseitig sein kann. Auf der Gefühlsebene ist es wichtig, den „inneren Weisen / Guru“ wieder zu finden, der einem die Lust am Essen wieder nahebringt. Übrigens auch mit gelegentlichen (!) Schnitzern wie beispielsweise einem Eis!



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